Geschichte der Werkbahn

Geschichte der Werkbahn Ohs Bruk - Bor

Hintergrund
Ohs Bruk ist ein alter Industrieort mit einer Eisenfabrik aus dem 17. Jahrhundert. Der Ort liegt an der Südspitze des Rusken-Sees ein paar Kilometer östlich von Värnamo. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begann der Ingenieur Sanfried Berglund mit dem Bau einer Sulfitfabrik und eines Sägewerkes in Ohs. Dort gab es Wald, Wasser und Arbeitskräfte. Der Transport des Baumateriales und ab 1894 der fertigen Produkte zum Bahnhof in Lammhult an der "Södra Stambanan" erfolgte mit Karren, gezogen von Ochsen. Mit der Eröffnung der Eisenbahn Borås - Alvesta 1902 gingen die Transporte zum Bahnhof in Bor an der neuen Strecke. Nach Bor wurden die Produkte aus Ohs transportiert, von Bor kamen Rohwaren, vor allem Chemikalien. Mit der gesteigerten Produktion benötigte man bald bessere Transportmöglichkeiten. Dies wird am besten deutlich bei einem Vergleich zwischen einem Güterzug mit einer Kapazität von ungefähr 25 Tonnen und einer Anzahl langsamer Ochsenkarren auf schlechten Feldwegen.

Bau der Bahn
Die Bahnstrecke zwischen Ohs Bruk und Bor wurde zwischen 1907 und 1910 erbaut. Der Bau erfolgte auf der bereits vorhandenen Pferdebahn zwischen Bor und der Dampfsäge in Tagel. Diese Pferdebahn war etwa einen Kilometer lang und wurde 1906 eröffnet. Sowohl die Pferdebahn als auch das Sägewerk gehörten zu dieser Zeit Sanfried Berglund. Die Baukosten konnten durch die Verwendung der 600mm Spurweite niedrig gehalten werden. Diese Spurweite hat ihren Ursprung in Frankreich, wo sie vom Industriellen und Politiker Paul Décauville auf der Weltausstellung in Paris 1889 präsentiert wurde. In Schweden wurden sieben öffentliche, und noch wesentlich mehr Industriebahnen- darunter die Ohsabahn- mit dieser Spurweite ausgestattet. Eine dieser sieben öffentlichen Bahnen war die Helsingborg − Råå − Ramlösa Järnväg, HRRJ, die 1906 zu einer elektrifizierten Normalspurbahn umgebaut wurde. Überzähliges gebrauchtes Material der Schmalspurbahn wurde zum Verkauf angeboten. Ohs Bruk kaufte Loks, Wagen und Gleismaterial, welche im Laufe des Jahres 1907 in Bor eintrafen. Im Gleismaterial enthalten waren zwei Drehscheiben, vier Weichen und 1840 Meter Gleis (Gewicht 14 kg/ m). Der Streckenbau nach Ohs Bruk konnte nun beginnen. Ein Hochplateau mußte überquert werden, was große Steigungen von beiden Endstationen bedeutete. Von Bor aus werden am Ende der Steigung kurzzeitig 41 ‰ erreicht, ansonsten steigt und fällt die Strecke mit höchstens 33 ‰. In Kombination mit Kurven, deren Radius bis auf 100 Meter heruntergeht bedeutete dies, daß die Dampfloks hart arbeiten mußten. Um die Züge von den Ausgangspunkten etappenweise befördern zu können, wurden oberhalb der Steigungen Stichgleise angelegt. Dies sind die heutigen Stationen Gimarp und Stensjön. Die fertige Strecke war 14,769 km lang. In Bor wurde eine Verladung zwischen den beiden Spurweiten notwendig, Arbeitskräfte gab es jedoch reichlich und billig. Die Eisenbahn schlängelt sich durch eine wenig bebaute Landschaft. Zwischen Hösjömo und Gimarpsby verläuft sie weit entfernt von den befahrbaren Wegen. Ungefähr 700 m vor dem Endpunkt in Ohs erbaute man in den 1930er Jahren eine Imprägnierung, die in den 1960er Jahren wieder geschlossen wurde. Heute ist diese Stelle ein Lager für die Museumsbahn. In Ohs Bruk gab es an der östlichen Seite der Bahn auf Höhe des heutigen Lokschuppens ein Gebäude für die Lagerung des hergestellten Papiers, beim heutigen Stationsgebäude gab es ein Umsetzgleis. Das heutige Gebiet mit Lokschuppen und Wagenhalle existierte nicht zur Betriebszeit, jedoch gab es innerhalb der Papierfabrik Stichgleise zur Güterverladung, zum Sägewerk und zur Werkstatt.

Loks und Wagen
Unmittelbar vor dem Streckenbau wurde wie bereits genannt überzähliges Material von der HRRJ eingekauft, unter anderem deren Lok 3. Auf der Ohs Bruk Bahn wurde sie nach ihrer Herkunft als Franska loket (Französische Lok)  benannt. Diese Tradition der Namensgebung lebt noch heute bei der Museumsbahn. Von der HRRJ wurden die 4-achsigen Güterwagen Nr. 21- 25 (einige davon ehemalige Personenwagen) eingekauft, ebenso die 2-achsigen Güterwagen Nr. 62- 65 und 70. Helsingborgs Kupferwerk hatte 10 Güterwagen, erbaut 1902 von Råå Mekaniska Verkstad. Davon wurden acht Stück nach Ohs verkauft, später 1910 und 1913 kamen noch einmal jeweils vier Wagen dazu. Alle 2-Achser wurden später zu gedeckten Wagen umgebaut. Der heutige Wagen Nr. 90 stammt aus einer späteren Herstellung, entspricht aber ebenfalls den Helsingborg-Wagen. Als die Franksa loket überholt wurde, mietete man 1913 eine Indutrielok von Orenstein & Koppel. Diese entspricht der heutigen Lok Nr. 5 Smedjebacken. Die Holztransporte der Bränslekommission (Brennstoffkommission) im ersten Weltkrieg erforderten eine weitere Lok, diesmal hergestellt von Helsingborgs Mekaniska Verkstad und folgerichtig benannt als Svenska loket (Schwedische Lok). Die Lok wurde hergestellt für eine Eisenbahn zwischen Hålltorps gård und Vinninga station. Diese Station lag zwischen Lidköping und Skara, und war damit ein Teil des westgötischen Schmalspurnetzes mit 891 mm Spurweite. Die Lok wurde nach Ohs Bruk verkauft und Anfang 1918 bei der AB Svenska maskinverkstaden auf 600 mm Spurweite umgebaut. Nach dem ersten Weltkrieg war eine große Anzahl Material von der deutschen Armee zu verkaufen. Angeboten wurden Schmalspurloks und Wagen vom Typ Heeresfeldbahn, vorgesehen für Millitärtransporte in den frontnahen Bereichen. Die größte Anzahl Loks in dieser Gruppe waren die Brigadeloks. Sie wurden ab 1905 entwickelt und über 2500 Stück hergestellt, die letzten nach Ende des Krieges. Nach Schweden kamen 12 dieser Loks, darunter eine nach Ohs Bruk im Jahre 1920. Die Lok erhielt natürlich den Namen Tyska loket (Deutsche Lok) und wurde Stammlok auf der Strecke. Franska loket wurde Reservelok und Svenska loket wurde gar nicht mehr benutzt. Schon 1929 wurde der Kessel der Brigadelok wegen des schlechten Zustands vom Ångpanneföreningen (Dampfkesselverein) stillgelegt, woraufhin ein neuer Kessel (Borsig 01692/1929) eingekauft wurde. Als vorübergehende Ersatzlok kam eine identische Lok durch ein Tauschgeschäft nach Ohs. Dieser Tausch kam mit Eckersholms torvströförening zustande, welcher eine 8 km lange Bahn zur Station Bratteborg an der Strecke Jönköping - Vaggeryd betrieb. Svenska loket und 2000 Kronen wurden übergeben. Diese zweite Brigadelok wurde Reservloket (Reservelok) benannt und war im Bestand bis irgendwann zwischen 1940 und 1952. Nach dem Kauf einer Motorlok 1948 wurde Tyska loket Reservelok und nach der Außerdienststellung 1952 wurde verschrottet. Teile dieser Lok wurden benutzt für eine selbstgebaute Rangierlok, welche später Sputnik benannt wurde und einen Volkswagenmotor besaß. Diese Lok gibt es noch heute in Ohs, ist aber nicht fahrbar. Die heutige Ohsabahn hat wieder einen Bestand von zwei Brigadeloks. Zum einen ist dies die Emsfors im Originalzustand. Zum anderen ist das die heutige Tyska loket, welche von der Deutschen Reichsbahn der DDR stammt und in diesem Zustand verblieben ist. Letztgenannte kam erst 1976 nach Schweden. Auch ein große Anzahl Heeresfeldbahnwagen kam nach Schweden und diese waren später sogar Vorbild für weitere in Schweden hergestellte Wagen. Von den originalen Heeresfeldbahnwagen gibt es in Ohs heute unter anderem den gedeckten Wagen Nr. 23 und den Flachwagen Nr. 27. Zusammen med den früheren Helsingborgwagen wurden diese der Grundpfeiler im Werkbahnbestand. Weitere Einkäufe wurden von stillgelegten 600 mm Bahnen getätigt. Von der Stafsjö Järnväg in Kolmården wurden 1939 vier 2-achsige Flachwagen und vier Holztransportwagen gekauft. Letztere wurden in Ohs mit einer großen Ladefläche versehen und fortan einfach "Stavsjöwagen" genannt. Zwei davon wurden in den 1970er Jahren zu Personenwagen umgebaut, einen gibt es noch heute als Güterwagen Nr. 36. Von der Kosta Järnväg, KLJ, kam 1948 ein Schneepflug und genannte Motorlok. Die Kostabahn hatte diese Lok 1945 von der Nättrabybahn, Nättraby - Alnaryd - Älmeboda Järnväg (NAÄJ) eingekauft. Das Zustandekommen dieser Lok ist interessant. Sie ist erbaut 1937 von Kalmar Verkstad, und zwar auf dem Rahmen der Dampflok Nr. 2 der NAÄJ. Die Dampflok wurde mit der Achsfolge 1'B1' von Motala Verkstad hergestellt (148/ 1894). Eine Laufachse wurde demontiert und der Rahmen gedreht, so daß das Heck der Dampflok die Front der Motorlok wurde. Die Lok bekam zwei Motorhauben, unter jeder saß ein Ford V8 Benzinmotor. Die Lok gibt es noch heute auf der Museumsbahn und ist zusammen mit der nicht betriebsfähigen Sputnik das einzige Exemplar aus der Werkbahnzeit. 1982 wurde die Lok restauriert, wobei die zwei Benzinmotoren durch einen Dieselmotor ersetzt wurden.


Lokliste
Nr.
Bauart          
Herst.-Nr./ -jahr
Name
Einkauf
Verbleib
1
B1'
Decauille 258/1897
Franska loket
1907
1920 Reserve, 1948 verschrottet
2
Bn2t
O&K 1363/1904
   
Gemietet Jun - okt 1915
3
Bn2t
Helsingborg
Svenska loket
1918
1929 verkauft
4
Dn2t
Borsig 10478/1919
Tyska loket
1920
1948 Reserve, 1952 verschrottet
5
Dn2t
Borsig 10476/1919
Reservloket
1929
1940-52 verschrottet
6
1'B
KVAB 36/1937
Motorloket
1948
bewahrt
7
B
--/1952
Sputnik
 
bewahrt, nicht fahrbar

 

Im Laufe der Jahre
Obwohl es nur Güterverkehr gab, konnte die Lokalbevölkerung inoffiziell auf den Güterzügen mitfahren, da es in der Umgebung keine anderen Fortbewegungsmöglichkeiten gab. Die meisten 600 mm Bahnen spürten die Konkurrenz des Straßenverkehrs schon in den 1930er Jahren. Die personenbefördernden Bahnen verschwanden von der Karte und die Werkbahnen wurden kontinuierlig stillgelegt. Der Verkehr auf der Ohsabahn wurde modernisiert, teils durch den Einkauf der Motorlok 1948, teils durch den Transport von Schwefel in sogenannten Großbehältern in den 1950er Jahren. Diese waren eine Art Vorgänger der heutigen Container. In Bor wurden die Behälter mithilfe eines Kranes zwischen Normal- und Schmalspurwagen verladen. Zwei dieser Großbehälter sind bei der Museumsbahn bewahrt. Die Straßen und Wege um Ohs waren lange in schlechtem Zustand, weshalb die Ohsabahn eine der letzten 600 mm Bahnen in Schweden war, mit Verkehr bis zum Sommer 1967. Die Fabrik überlebte die Eisenbahn um 11 Jahre, aber aufgrund höherer Anforderungen an den Umweltschutz und schließlich eines Brandes hörte der Betrieb im Oktober 1978 auf. In Teilen der Fabrik befindet sich heute eine Gummiindustrie, ein anderer ist heute ein Industriemuseum. Die Bahnstrecke wurde nicht abgebaut, sondern als Transportreserve beibehalten. Unterlassene Pflege in den letzten Werkbahnjahren und drei Jahre Stillegung resultierten in einem niedrigen Bahnstandard, als der Verein die Bahnanlagen 1970 übernahm. Viele Arbeitsstunden sind deshalb seit den 70er Jahren für die Gleiserhaltung nötig gewesen.
Lennart Carlsson

Quellen:
Småländska järnvägar, Lars-Erik Gustafsson
Décauvillebanan Helsingborg - Råå - Ramlösa, Lennart Welander
Kosta järnväg, Lennart Welander
Nättrabybanan, Lennart Welander
Stafsjö järnväg, Lennart Welander
Skogen tar tåget, Lennart Welander